Dr. Ludwig Spaenle (CSU) über 40 Jahre türkische Migration + Integration und die bayerische Landtagswahl 2003

Foto: Michael Lucan

Zeki Genç spricht mit Dr. Ludwig Spaenle (CSU) über 40 Jahre türkische Migration und Integration sowie über die bevorstehende Landtagswahl am 21. September 2003 in Bayern.

Auszug aus dem Gespräch:

Dr. Ludwig Spaenle: „Ich stelle drei Dinge fest:

  1. Der Islam ist die drittgrößte Religionsgemeinschaft in unserem Land. Nicht nur in Bayern: in Deutschland. Und dies wird auf Dauer so sein, weil sich sehr viele muslimische Mitbürger dafür entschieden haben. Das war vielleicht noch vor wenigen Jahren – oder vor 10 Jahren – noch anders. Da hat man vielleicht einen zeitlich begrenzten Horizont gesehen, in dem man Deutschland als Aufenthaltsort wählt. Das hat sich grundlegend verändert. Die übergroße Zahl der Muslime hat Deutschland als ihre Heimat, ihre zweite Heimat, auf jeden Fall als Lebensmittelpunkt für sich gewählt. Und das verändert unsere gesellschaftliche Wirklichkeit nachhaltig.
  2. Die Muslime in Bayern haben Netzwerke gebildet, um ihre Lebenswirklichkeit positiver zu gestalten. Das ist aus ihrer Sicht verständlich. Was ich für bedenklich halte, ist die Verfestigung hin zu Strukturen einer Parallelgesellschaft. Dem muss vorwiegend die Politik entgegenwirken, weil es natürlich ist, wenn ich Menschen gleicher kultureller und religiöser Ausrichtung finde, dann assoziiere ich mich mit denen. Das ist selbstverständlich, es sollte sich aber nicht zu einer parallelen Struktur verfestigen. Nicht, weil man das Bedürfnis der Muslime nach Ausleben und Entwicklung ihrer kulturellen und religösen Identität nicht achten will. Sondern weil wir es für die Gesamtgesellschaft als nachhaltig negativ erachten, wenn sich eine Parallelgesellschaft bildet. Was bedeutet das? Dass ein bestimmter Bevölkerungsteil große Teile seiner Lebenswirklichkeit von denen der Mehrheitsgesellschaft abgekoppelt entwickelt, dass diese Entwicklung für Bayern nicht positiv wäre. Dem muss entgegengewirkt werden, und zwar durch den Dialog.
  3. Wir können ein – weitestgehend – reibungsloses Miteinander beobachten. Es gibt natürlich die Grundfragen der Integration. Aber ich glaube, dass wir mittlerweile – zumindest in den großstädtischen Ballungsräumen – muslimische Mitbürger als ganz selbstverständliche Nachbarn und Mitmenschen vorfinden, die sich auch – und das ist ein sehr positiver Punkt – in zunehmendem Maße, zwar noch auf relativ kleinem Niveau, auch in gesellschaftliche Prozesse mit einbringen.“

Mit freundlicher Genhemigung von Zeki Genç (Redaktion Münih FM, Bayerisches Institut für Migration e.V.)