Anti-Salafismus-Netzwerk

Die Bayerische Staatsregierung will verstärkt gegen islamistische Radikalisierung vorgehen und bereitet deswegen ein Anti-Salafismus-Netzwerk vor. Es wurde vor einer Woche im Bayerischen Innenministerium der Presse vorgestellt. Michael Lucan erzählt uns mehr darüber.

„Ich hab den Islam angenommen Anfang 2014. Vor dem Islam habe ich viel Disco gemacht, viel Alkohol, viel Frauen … Und irgendwann denkt man sich: Halt, Stop! Es muss mehr geben. Weil, es muss einen Grund geben, warum man auf die Erde gekommen ist, es muss einen Grund geben, warum man lebt, warum man stirbt.” Ibrahim Abou-Nagie: „Was lässt Dich hier am Infostand stehen, was motiviert Dich?“ „Mich motiviert, dass ich etwas für den Islam tue, dass ich in der Hoffnung bin, das spätestens in 5 bis 7 Jahren die ganze ‚Welt ‚Aschhadu an laa ilaha illa’Llah wa aschhadu anna Muhammadan rasulu’Llah’ sagt.“ (O-Ton „LIES !“ – youtube)

Die Ganze Welt. In 5 bis 7 Jahren. Die ganze Welt wird das islamische Glaubensbekenntnis sprechen. Ein Orginalmitschnitt von einer Koran-Verschenk-Aktion unter dem Motto „LIES !“ in Bremerhaven.
Organisiert von Ibrahim Abou-Nagie, einem salafistischen Prediger palästinensischer Herkunft. Dem Projekt „Lies!“ wird vorgeworfen, Kämpfer für die dschihadistisch-salafistische Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu werben.

Was ist Salafismus? Guido Steinberg, Islamwissenschaftler der Stiftung Wissenschaft und Politik: „Salafismus ist eine sehr moderne Bewegung und ist eine Reaktion auf modernes Leben nicht nur hier in Europa, sondern auch in der arabischen Welt und in Südasien. Was die Salafisten von den Islamisten unterscheiden, ist, dass sie einen Aspekt der Lehre ganz besonders betonen, und das ist die Rückkehr zur Lebensweise der frommen Altvorderen, auf Arabisch heißen die „Asallaf Asalef“. Daher kommt der Begriff ‚Salafisten’“.

Salafisten sind allerdings eine verschwindende Minderheit unter den Moslems und nicht alle Salafisten sind gewaltbereit. Militante Salafisten aber predigen offen den heiligen Krieg, Jihad. Gegen den militanten Salafismus richtet sich ein von der Bayerischen Staatsregierung geplantes Anti-Salafismus-Netzwerk.

Innenminister Joachim Herrmann

Innenminister Herrmann dazu am Montag der vergangenen Woche auf einer Pressekonferenz: „Der Nachschub an Todes- und tötungswilligen Dschihadisten reißt nicht ab. Der Salafismus bildet dabei eine ideologische Grundlage für Radikalisierungsprozesse bis hin zur Teilnahme am Dschihad. Die Zahl der Islamisten, die in Dschihad-Gebiete ausreisen, steigt. Bislang sind über 750 aus Deutschland ausgereist (…) oder planen eine Ausreise, um sich aktiv an Kampfhandlungen zu beteiligen. Mit steigenden Ausreisezahlen erhöht sich auch die Zahl derer, die irgendwann aus Syrien oder dem Irak kampferfahren und möglicherweise traumatisiert zurückkommen wollen“.

Das sind in der Hauptsache junge Leute, die hier geboren und aufgewachsen sind, die eine europäische Staatsbürgerschaft haben – zum Teil nicht mal Muslime sind oder erst frisch konvertiert und radikalisiert.

Innenminister Herrmann: „Natürlich ist nicht jeder Salafist ein Terrorist. Es fällt aber auf, das sich fast bei jedem islamistischem Terroranschlag der vergangenen Jahre, so wie auch jetzt in Paris, ein Bezug der Attentäterseite zur salafistischen Szene gezeigt hat. Es liegen beispielsweise Erkenntnisse vor, dass ausreisewillige und bereits ausgereiste junge Dschihadisten nicht selten über die salafistische Koranverteilung ‚Lies !’ den Einstieg in die salafistische Szene gefunden haben“.

Isalmistische, salafistische Radikalisierung soll durch das Anti-Salafismus-Netzwerk bereits im Ansatz verhindert werden Die Schwerpunkte liegen auf präventiven Maßnahmen und Aktionen zur Verhinderung der Radikalisierung sowie auf Maßnahmen zur Deradikalisierung Betroffener.

Die Polizei setzt dabei beispielsweise auf „vertrauensbildende“ Maßnahmen mit muslimischen Einrichtungen, durch sogenannte Moschee-Kontaktbeamte. Und weiter soll die interkulturelle Kompetenz von Polizeibeamten durch Aus- und Fortbildung gestärkt werden.

Das Sozialministerium legt parallel dazu Wert auf spezielle Angebote für Jugendliche. Sozialministerin Emila Müller: „Salafisten dürfen nicht die besseren Sozialarbeiter sein, indem sie Jungendlichen Raum geben für Fragen und Ängste, die diese andernorts überhaupt nicht diskutieren können. Fröhliche lachende Mädchen, die durch Aktionen wie ‚Lies !’ – wie der Innenminister das vorhin auch angesprochen hat – Mädchen, die sich so angesprochen fühlen und ein Selfie mit einem soeben erhaltenen Koran in den sozialen Medien posten, zeugen von fehlendem Problembewusstsein. (…) Bei Prävention steht der Schutz von Jugendlichen im Vordergrund.“

Sozialministerin Emilia Müller

Die Zielgruppe von früher Prävention sind also Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund und mit unterschiedlicher religiöser Prägung, lange bevor es zu einer Radikalisierung kommt.

„Unsere Mitarbeiter, die Pädagogen in der Jugendarbeit, diese müssen fit sein, um auf Ängste und Fragen der Jugendlichen einzugehen, müssen erkennen, wo Jugendliche möglicherweise anfällig sind für Versprechen radikaler Ideologen. (…) Lachende Mädchen am ‚Lies !’-Stand sind im Idealfall die Ansprechpartner für unsere Angebote. (…) Für diese ergänzenden Angebote haben wir mit dem Verein UFUQ e.V. einen wichtigen Partner gefunden. UFUQ – 2007 gegründet – hat sich als Träger der freien Jugendhilfe bundesweit als Ansprechpartner zu den Themen Islam, Islamfeindlichkeit, Islamismus und Salafismus etabliert. Und seit September 2015, seit diesem Jahr, baut UFUQ in Bayern über ein Modellprojekt in Augsburg eine landesweite Fachstelle zur Prävention religiös begründeter Radikalisierung auf.”

Justizminister Winfried Bausback

Das Justizministerium will insbesondere bereits bestehende Maßnahmen zur Bekämpfung des salafistischen bzw. islamistischen Extremismus im bayerischen Justizvollzug weiter optimieren. Dazu Justizminister Bausback: „Die Sorge, dass Islamisten bzw. Salafisten gezielt versuchen könnten, im Justizvollzug potentielle Kandidaten für den Dschihad anzuwerben ist nicht neu, und sie ist auch nicht unbegründet. In den bayerischen Gefängnissen befinden sich derzeit zwei sogenannte Syrien-Heimkehrer in Haft. Weitere 21 Gefangene sind uns einschlägig bekannt, bzw. entsprechend aufgefallen. Gerade junge Gefangene sind oftmals besonders anfällig für Radikalisierung. Sie sehnen sich oftmals danach, einer „großen“ – in Anführungszeichen – Sache anzugehören und einmal auf der – vermeintlichen – Gewinnerseite zu sein. Mit der neuen zentralen Koordinierungsstelle für Maßnahmen gegen Salafismus und Islamismus im bayerischen Strafvollzug setzen wir genau hier an. Zu ihren Aufgaben werden im Wesentlichen folgende Punkte gehören: die Gestaltung des weiteren Ausbaus der muslimischen Gefängnisseelsorge, die kontinuierliche Fortbildung unserer Bediensteten und die fachliche Begleitung bestehender und die Implementierung neuer Behandlungsangebote und De-Radikalisierungsprojekte.”

Kultusminister Ludwig Spaenle

Und das Kultusministerium: Es setzt auf Prävention und das vernetzte Handeln der sogenannten Regionalbeauftragten für Demokratie und Toleranz, der Schulen und der Bayerischen Landeszentrale für Politische Bildung. Kultusminister Dr. Spaenle: „Letztlich geht es darum, den Weg junger Menchen in den dschihadistischen Salafismus zu verhindern. Deswegen ist es Aufgabe von Schule ganz allgemein, sich mit der Werte-Erziehung in besonderer Weise vor diesem Hintergrund zu befassen. Aber darüber hinaus muss den jungen Menschen, die gefährdet erscheinen, mit besonderen Angeboten hier geholfen werden. Bayern hat seit langem ein Netzwerk von 18 Regionalbeauftragten für Demokratie und Toleranz. Hier wird mit Angeboten gearbeitet, die die Lehrer-Kollegien vor Ort auf solche Themen hinweisen und sie in den Stand versetzen, mit dem Thema selbst akitv umzugehen. Auf der anderen Seite sind aber diese Beauftragten auch ganz konkret in ihrer Ausbildung und ihrer Kompetenz Schul-Psychologen und können so auch für einzelne junge Menschen als Ansprechpartner benannt werden, die in diese Szene abzudriften drohen.
Insgesamt ist es unser Ziel, in diesem Bereich mit den Instrumenten, die die Kollegen benannt haben, hier ein ganzheitliches Konzept zur Eindämmung der Wirkung des dschihadistischen Salafismus in Bayern gestalten zu können.“

ABMODERATION (Zeki): Ja, Michael, danke für Deine dokumentarische Zusammenfassung, das Projekt der Staatsregierung, für das Anfang 2016 im Rahmen eines Vergabeverfahrens ein geeigneter zivilgesellschaftlicher Träger gefunden werden soll, nennt sich also „Anti-Salafismus-Netzwerk“.

In der Hauptsache will es sich der Beratung Betroffener und deren Angehöriger widmen. Das geplante Angebot umfasst Ausstiegshilfen, Beratungs- und Fortbildungsangebote an Schulen, bei der Polizei, der Justiz und in den Justizvollzugsanstalten. Und morgen stellt sich das Antisalafismusnetzwerk auf einer 2-tägigen Veranstaltung im Palais Lenbach vor. Wir werden – gegebenenfalls an anderer Stelle – darüber berichten.