Demonstrieren schwer gemacht

Das neue bayerische Versammlungs(verhinderungs)recht

Im Versammlungsrecht ist geregelt, unter welchen Umständen Kundgebungen und Demonstrationen organisiert werden dürfen. Zusätzlich unterliegen diese noch Auflagen der örtlichen Polizei sowie des Kreisverwaltungsreferats.

Wie Erfahrungen bei zahlreichen Demos zeigen, können willkürliche Beschränkungen (z.B. das Verbot von Seitentransparenten und die genaue Festlegung erlaubter Fahnenstangen) zu erheblicher Repression gegenüber den Demonstrierenden führen.
Z.B. erhielt ein Aktivist vor kurzem einen Strafbefehl über 110 Tagessätze, da ihm als Versammlungsleiter vorgeworfen wurde, die Auflagen den Anwesenden nicht mitgeteilt zu haben.

Im Zuge der so genannten “Föderalismusreform”, die die Zuständigkeiten in der Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern neu regelt und zum 01.09.2006 in Kraft trat, darf Bayern (und damit die Beckstein-CSU mit ihren restriktiven Law-and-Order-Ansichten) über das Versammlungsrecht in seinen Landesgrenzen bestimmen.
Schon im Sommer soll das geplante neue Gesetz in Kraft treten, die erste Lesung fand bereits am 3.April diesen Jahres statt.

Wie nicht anders zu erwarten, sind mit ihm eine Reihe von Verschärfungen der sowieso schon schikanösen derzeitigen Rechtslage zu befürchten.

So gelten beispielsweise schon zwei Personen als eine Versammlung. Mensch wäre zudem gut beraten, seinen schwarzen Kapuzenpulli lieber zu Hause zu lassen, da er sonst “nach dem äußeren Erscheinungsbild […] den Eindruck der Gewaltbereitschaft vermittelt” (Art. 7 (2)) und sich so strafbar machen würde.

Erstmals werden nun auch Saalveranstaltungen von Einschränkungen betroffen, die sonst nur Versammlungen unter freiem Himmel einschränken. Im Freien müssen zukünftig auf Anforderung der Behörden sogar die persönlichen Daten aller OrdnerInnen bekannt gegeben werden.
Auf dem Weg zur Demo sollte besser auch gleich der Schal zu Hause gelassen werden, da dieser geeignet ist, “die Feststellung der Identität zu verhindern” (Art. 16 (2)). Erst Recht, da die möglichen Strafen auf bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe und 20.000 Euro Bußgeld erhöht wurden.

Begründet wird dieses Gesetz, das nach Ansicht einer Reihe von Anwältinnen in großen Teilen grundgesetzwidrig sein dürfte, durch eine bessere Handhabe gegen Naziaufmärsche.
Dies ist allerdings nur ein Scheinargument, da bereits bestehende rechtliche Möglichkeiten in vielen Fällen nicht vollständig ausgeschöpft werden, und so rechtsextreme Aufmärsche trotzdem regelmäßig und meist unter Polizeischutz stattfinden können.

Die Hürden zur Anmeldung einer Kundgebung werden allgemein erheblich erhöht, und viele potenzielle Anmelderinnen werden es sich angesichts der erweiterten Repressionsmöglichkeiten zweimal überlegen, ob sie eine Demonstration/Kundgebung anmelden wollen.

Das Gesetz beabsichtigt anscheinend, dass auf die herrschende Politik noch weniger als bisher Druck ausgeübt werden soll und die Mitwirkung der Bevölkerung sich auf das alle paar Jahre Kreuzchenmachen beschränkt.

Der Widerstand gegen Ungerechtigkeiten und Benachteiligungen in allen Staaten ging aber so gut wie nie von den Parlamenten, sondern immer von der Basis, von unten, aus. Deswegen ist die Versammlungsfreiheit unersetzlich, um seine Meinung überhaupt kundtun, geschweige denn Widerstand leisten zu können.

Die Zeit drängt. Da das neue Anti-Versammlungsgesetz bereits vor der Landtagswahl in Kraft treten soll, muss jede Minute genutzt werden. Am 26.April gab es immerhin schon einen Bayern weiten Aktionstag mit vielen dezentralen Aktionen in München.

In den kommenden Wochen sollen weitere Protestveranstaltungen stattfinden.

Wird das Gesetz dennoch in seiner heutigen Form verabschiedet, bleibt als legaler Weg für die jeweiligen Einzelpersonen nur ein Kräfte zehrender Klageweg durch die Instanzen, um das Gesetz teilweise wieder rückgängig zu machen.

Dieser Text kann frei genutzt und vervielfältigt werden. Quelle: Direkte Aktion München (Zeitung für kämpferische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit) vom 1. Mai 2008