Deutsche Aids­hilfe: Drogen­todesfälle drama­tisch ge­stiegen – Politik­wech­s­el jetzt!

1.826 Menschen sind 2021 in Deutschland an den Folgen von Drogenkonsum und – vor allem – der gescheiterten Drogenverbotspolitik gestorben, fast 16 Prozent mehr als 2020 und 44 Prozent mehr als 2017. Dieser dramatische Anstieg erfordert einen unverzüglichen Politikwechsel hin zu Entkriminalisierung und staatlicher Regulierung.

„Um Menschenleben zu retten, sind eine staatlich kontrollierte Abgabe auch sogenannter harter Drogen und die Entkriminalisierung der Drogenkonsument*innen erforderlich – und ein Ausbau schadensmindernder Angebote“, sagt Björn Beck vom Vorstand der Deutschen Aidshilfe (DAH). „Die Kriminalisierung von Drogen konsumierenden Menschen zerstört das Leben Hunderttausender, darunter auch derjenigen, die ihnen nahestehen.“

Auch der Sucht- und Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert, der die Zahlen zu Drogentodesfällen veröffentlicht hat, erklärte, ein „Weiter so“ in der deutschen Drogenpolitik sei nicht möglich.

Regulierung statt Schwarzmarkt

„Statt Drogen konsumierende Menschen wegen geringer Mengen zum Eigenbedarf zu kriminalisieren und zu inhaftieren, muss der Staat die Abgabe von Substanzen regulieren und deren Qualität kontrollieren“, sagt DAH-Drogenreferent Dirk Schäffer. „Substanzen vom Schwarzmarkt sind meist stark verunreinigt und Konsumierende können den Reinheitsgehalt nicht einschätzen – beides oft mit tödlichen Folgen.“

Die Deutsche Aidshilfe fordert deshalb die staatliche Kontrolle der Produktion und die legale Abgabe von Substanzen in jeweils geeigneter Form, etwa über Fachgeschäfte oder das Medizinsystem. Außerdem solle der Gesetzgeber geringfügige Mengen zum Eigenverbrauch festlegen, deren Erwerb und Besitz nicht strafrechtlich verfolgt wird. 

Entkriminalisierung rettet Leben

Das Festhalten an der kontraproduktiven Kriminalisierungspolitik kostet jeden Tag Menschenleben.

„Erst eine Entkriminalisierung schafft die Möglichkeit, dass Menschen früher Hilfe suchen und annehmen“, so Schäffer. „Außerdem wird so der Kreislauf der Inhaftierungen durchbrochen, der mit enormen Risiken für Leben und Gesundheit der Betroffenen einhergeht und die Gesellschaft als Ganze teuer zu stehen kommt.“

Etwa 80 Prozent der Strafanzeigen mit Drogenbezug beziehen sich auf sogenannte konsumnahe Delikte und richten sich gegen Konsumierende, nicht gegen diejenigen, die finanziell profitieren.

In Haft steigt zum Beispiel das Risiko einer HIV- oder Hepatitis-Infektion um ein Vielfaches. Sterile Spritzen und Konsumutensilien stehen nicht zur Verfügung, auch Substitutionstherapien sind nicht immer zugänglich.

Schadensminimierung ausbauen

Darüber hinaus müssen Angebote zur Schadensminderung bundesweit ausgebaut und besser zugänglich gemacht werden. Dazu DAH-Vorstand Beck:

„Wir brauchen Drogenkonsumräume in allen Bundesländern und in der Fläche, wir brauchen endlich Drugchecking, also das Testen von Substanzen auf Inhaltsstoffe und deren Wirkstoffkonzentration, in Verbindung mit Beratungsangeboten. Wir brauchen den flächendeckenden Zugang zur Substitutionsbehandlung und die gesetzliche Gleichstellung der Diamorphinbehandlung, also der Abgabe von pharmazeutisch reinem Heroin an Konsument*innen.“

Zudem müssen Länder und Kommunen Aids- und Drogenhilfen so ausstatten, dass sie ihren immer vielfältigeren Aufgaben nachkommen können. 

„Die meisten Einrichtungen sind nicht in der Lage, szenenahe Testangebote auf HIV und Hepatitis C anzubieten, und haben keine ausreichenden Finanzen für eine bedarfsgerechte Abgabe von Konsumutensilien“, gibt Beck ein Beispiel. 

Wichtig seien darüber hinaus auch Investitionen in die Forschung, zum Beispiel zur Substitutionsbehandlung für Konsument*innen von Amphetaminen oder Kokain.

„Die Kontrolle über die Drogen war viel zu lange dem Schwarzmarkt überlassen. Der Staat muss endlich seine Lehren daraus ziehen und das Leben aller seiner Bürger*innen schützen“, sagt Beck.