‘Facebook’ von früher

»Chemie-Punk» Oskar Loew, Sophie Blanchard (Ballonfahrerin) und Paracelsus -Portrait
Abbildungen: Deutsches Museum, Collage: BayernPixel

Das Deutsche Museum stellt für den Programmierwettbewerb „Coding da Vinci” rund 7000 historische Archiv-Schätze zur Verfügung. Dazu gehören Bilder, die in den vergangenen Jahrhunderten zum Netzwerken dienten.
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Das Porträt von Paracelsus ist das älteste Bild in der Porträtsammlung des Deutschen Museums.
Abbildung: Deutsches Museum
Vom Arzt Paracelsus bis zum US-Astronauten John Glenn: Die Sammlung von Porträtbildern, die im Archiv des Deutschen Museums lagern, umspannt Jahrhunderte. Das Bild von Paracelsus ist das älteste der Sammlung – es stammt aus dem Jahr 1541. Jetzt werden die Bilder bei einem Programmierwettbewerb zu neuem Leben erweckt. Beim Kultur-Hackathon „Coding da Vinci Süd” könnte aus den Forschern und Naturwissenschaftlern von gestern zum Beispiel eine App, ein Computerspiel oder eine Virtual-Reality-Anwendung von morgen werden.

Das Deutsche Museums steuert für den Hackathon rund 7000 Datensätze aus seiner Porträtsammlung bei. Es handelt sich dabei um keine reine Bilderstrecke, sondern um eine Sammlung von vielfältigen Metadaten über die biografischen Daten der Porträtierten bis hin zu Drucker, Fotograf oder Technik der Bilderstellung. Damit lässt sich die Sammlung unter verschiedensten Gesichtspunkten erschließen. Und das macht sie zu einem idealen Experimentierfeld für Programmierer, die praktische Anwendungsmöglichkeiten für solche Datensammlungen entwickeln.

Die Bilder stehen allerdings auch Nicht-Hackern zur Verfügung: Auf der Webseite www.digiporta.net kann sich jeder die Porträts ansehen und mit ihnen arbeiten. Besonders begeistert ist Fabienne Huguenin, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Deutschen Museum, von der Sammlung der so genannten „Cartes de Visite”, die zwischen 1860 und1915 sehr weit verbreitet waren. „Man tauschte sie im Freundes- und Kollegenkreis aus, oftmals versehen mit einer Widmung und der Signatur des Dargestellten”, erklärt Huguenin. In der Sammlung des Deutschen Museums finden sich natürlich sehr viele Ingenieure und Naturwissenschaftler.

Auch das Porträt der Ballonfahrerin Sophie Blanchard steht den Kultur-Hackern bei “Coding da Vinci Süd” zur Verfügung.
Abbildung: Deutsches Museum

Es gab damals sogar eigene Alben für diese Karten: Sie wurden in passende, vorgefertigte Fächer eingeschoben, nicht eingeklebt. So konnten zum Beispiel später Freunde, die keine mehr waren, auch wieder entfernt werden. „Für mich ist das so etwas wie das Facebook von früher”, sagt Huguenin.

In diesem „Facebook” finden sich kaum Frauen – außer vielleicht ein paar wenige Botanikerinnen. Und selbst die sahen häufig recht maskulin aus, weil die damaligen Kupferstecher nur Erfahrungen mit Männern hatten. Es gibt aber auch sehr witzige Abbildungen: wie die des Chemikers und Liebig-Schülers Oskar Loew (1844-1941), den Huguenin scherzhaft als Erfinder der Punkfrisur bezeichnet.
Was die Teilnehmer des Hackathons jetzt mit den Porträts und den Einträgen in jeweils 84 Datenfeldern anfangen werden? „Wir sind gespannt”, sagt Georg Hohmann, Leiter des Deutschen Museums Digital. Bei einem Wettbewerb im Jahr 2014, an dem sich das Deutsche Museum ebenfalls beteiligt hatte, stand am Ende eine App, die die digitalisierten Notenrollen des Deutschen Museums hörbar macht. Solche Projekte, glaubt Hohmann, können kulturelle Schätze für die Menschen erfahrbarer machen. Deshalb beteilige sich das Museum auch an diesem Wettbewerb: „Wir wollen dabei helfen, Kultur und digitale Szene zusammenzubringen”, sagt Hohmann. „Und gleichzeitig wollen wir auch zeigen, dass Museen und Archive nicht altmodisch sind, sondern offen, innovativ und digital.”

Der Hackathon beginnt mit einem Kick-Off-Meeting am 6./7. April in der Münchner Stadtbibliothek. Erwartet werden rund 150 Gäste. Die Preise werden am 18. Mai in Nürnberg vergeben. Weitere Informationen finden sich hier: www.codingdavinci.de/events/sued/

“Chemie-Punk” Oskar Loew (1844-1941): Der Wissenschaftler trägt auf seiner “Carte de Visite” eine für damalige Zeiten durchaus bemerkenswerte Haartracht.
Abbildung: Deutsches Museum
Coding da Vinci Süd ist ein Gemeinschaftsprojekt unter Beteiligung folgender Institutionen

• Bayerische Akademie der Wissenschaften
• Bayerisches Filmzentrum
• Code for München
• Deutsches Museum
• .dhmuc
• Games Bavaria
• Goethe-Institut
• Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern
• MFG Baden-Württemberg
• Münchner Stadtbibliothek
• ZD.B│Zentrum Digitalisierung.Bayern.