Kann Entwicklungshilfe dazu beitragen, die Flücht­lings­ströme ein­zu­dämmen?

IMG_9507Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Gerd Müller, CSU, hat heute den Münchner PresseClub besucht.

Auf der Webseite des PresseClubs kann man lesen: „Der Minister hat Flüchtlingsheime im Nahen Osten besucht und war entsetzt über die Zustände. Er versucht, afrikanische Potentaten zum guten Regieren zu überreden, damit sich die Jugend dieser Länder nicht auf den Weg nach Europa macht.“

Der Minister war also heute zu einem Kurzbesuch in München, sein Termin am Münchner Marienplatz war gut besucht. Die Themenvielfalt groß: vom Textilabkommen, dem auch viele Fragen galten bis zum Thema Flucht, Fluchtursachen und deren Bekämpfung. Dafür interessieren wir uns heute.

Kann, so lautete die Frage, die Entwicklungshilfe dazu beitragen, die Fluchtursachen zu beseitigen und auch dazu, die Flüchtlingsströme einzudämmen?

Gerd Müller: „Ja klar, wenn wir das nicht verstehen, werden wir einen hohen Preis bezahlen. Die Flüchtlinge und wir. Wir müssen mit den Menschen zurückgehen und verstehen, warum sie fliehen, aus welchen Krisen- und Kriegsgebieten sie kommen und was Auslöser und Ursache dieser Entwicklungen war.“

Die Sogwirkung, die Europa und insbesondere Deutschland in diesem Zusammenhang haben, für die Menschen in Krisen-, Elends- und Hungerregionen ist dem Minister bekannt:

„Wir leben im Zeitalter der Globalisierung, es ist möglich hierher zu kommen. Und deshalb werden sich Millionen aufmachen, einfach, um zu überleben.
Ich sag’ vielleicht was zu Syrien und Irak: zehn Prozent derjenigen, die seit vier Jahren in Zelten, in Garagen und in Ziegenställen leben, sind in Europa. Zehn Prozent, nicht hundert Prozent. Es sind noch 8 bis 10 Mio. Menschen dort, die ums tägliche Überleben kämpfen.“

Und auch diese werden sich auf den Weg machen, wenn sie vor Ort keine Chance mehr sehen, zu überleben. Deshalb müssen die Fluchtursachen bekämpft werden.

Bundesminister Gerd Müller am 22.02.2016 im Münchner Presseclub
Bundesminister Gerd Müller am 22.02.2016 im Münchner Presseclub

Gerd Müller: „(Die Lösung) des Flüchtlingsproblems kann nur vor Ort erfolgen, und hier erwarte ich mir natürlich noch mehr politische und finanzielle Unterstützung. Es ist doch eigentlich ganz logisch: Warum sollen/müssen die Menschen hierher kommen? Weg! Entwurzelt! Eigentlich wollen sie nicht hier sein.
80% der Gebiete Iraks sind befreit vom IS. Und die Menschen wollen und können dort bleiben. Die Lösung: ein Dollar dort bewegt das 50fache wie hier. Warum kehren wir diesen Trend dann nicht um in diese Richtung? Dafür werbe ich. Auch bei Ihnen! (Applaus) … [Peter Schmalz, Vorsitzender des Presseclubs: ‚Das kommt selten vor bei uns!]’“

Applaus für den Minister im PresseClub.

Was kann man nun konkret tun? Man muss Geld in die Hand nehmen. Hören wir dem Minister ein paar Minuten genau zu:

„Mit zehn Milliarden – natürlich pro Jahr – könnten wir die genannten Länder und Regionen stabilisieren: Jordanien, den Libanon, die Türkei. Und zwar so stabilisieren, dass es zu keinem Massenexodus kommt.
Ich habe den Haushalt bei uns verdreifacht und (wir) investieren zwischenzeitlich über eine Milliarde in dem Bereich! Nur das deutsche Entwicklungsministerium.
Mit zehn Milliarden wäre das zu stabilisieren. Und Sie wissen: wir sind im Augenblick bereits bereit, fünfundzwanzig Milliarden in Deutschland einzusetzen. Für die eine Million Flüchtlinge. Und diese Zahl wächst auf.

Da ist die Frage – und meine Forderung – … zehn Milliarden der Weltgemeinschaft … es geht ja nicht um Deutschland, sondern der Weltgemeinschaft der Amerikaner bis zu den Japanern, und insbesondere der Europäischen Gemeinschaft. Und die, die nicht bereit sind, Flüchtlinge aufzunehmen, müssen in erster Linie auch bereit sein, einen Beitrag zu leisten, um die Strukturen vor Ort zu festigen.
Und es ist beschämend bis enttäuschen, was hier abläuft, auch von Seiten der Europäischen Kommission. Denn wir brauchen Verantwortlichkeiten: diese Aufgabe muss sich der Kommissionspräsident selber zu seiner Aufgabe machen. Denn wir brauchen auch einen Koordinator. Einen Flüchtlingskoordinator Europas, der die vielen unterschiedlichen Ansätze strukturiert. Wir haben eine Syrien-Geberkonferenz in London … ja, das sind Zusagen. Da machen 50, 60 Länder irgendwelche Zusagen fürs Papier. Das muss am Tag danach administriert werden!

Also, ich wiederhole noch mal: Zehn Milliarden von Brüssel! Das muss möglich sein durch Umstrukturierung des Haushalts. Wir müssen mindestens zehn Prozent des Haushalts in einen EU-Flüchtlingsfonds umfinanzieren, um direkt diese Stabilisierung vor Ort leisten zu können. Und dann könnten wir uns vieles ersparen, an dem was wir über Kontingente, Obergrenzen und sonst was diskutieren. Tun wir das nicht, werden wir einen hohen Preis in den nächsten Jahren bezahlen.

Bundesminister Müller mit Peter Schmalz, Vorsitzender des Presseclubs
Bundesminister Müller mit Peter Schmalz, dem Vorsitzenden des Presseclubs München

Peter Schmalz, Vorsitzender des Presseclubs: ‚Mit der Umschichtungsforderung machen Sie sich viele Freunde in Europa.’

Ich sehe auf der anderen Seite: es gibt keinen, der vor Ort war, der nicht so denkt. Auch der Vizekanzler hat in Satari geweint, was ich gesehen hab’. Wir leben doch nicht in einer Zeit, wo wir diese Probleme nicht lösen können. Was sind zehn Milliarden? Die Premier-League-Rechte, um die Fußballbilder der britischen Fußball-Liga zu übertragen, wurden für sieben Milliarden verkauft. Verstehen Sie? Das sind die Relationen.

Deutschland hat damals im ersten Irak-Kuwait-Krieg, so sagt mir Theo Waigel, zwölf Milliarden DM überwiesen. Damals. Und heut’ tun wir rum und bringen die zehn Milliarden nicht zusammen um zu machen, was ich grad eben dargestellt hab’. Dann kommen die Menschen eben zu uns; ich hab’ das in Dohuk auch klar gesehen. Und ich sage hier auch ganz deutlich: Ich würd’ mich auch aufmachen und sagen, dann muss ich meine Chancen auf Überleben in Europa suchen.“