Das so genannte “Asylpaket II” der Bundesregierung ist nun endlich geschnürt. Nach wochenlangem Streit wurden die Rechte von Flüchtlingen mit eingeschränktem – subsidiärem – Schutz von der Berliner Regierungskoalition aus CDU, CSU und SPD durch noch härtere Regelungen und Verschärfungen erneut weiter eingeschränkt.
Alle, die sich nicht auf das Asylrecht berufen können, alle, die keinen Schutzstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention in Anspruch nehmen können, sollen ausgewiesen und abgeschoben werden. Und wo das nicht geht – man denke an drohende Folter oder Todesstrafe oder auch nur an fehlende Aufnahmebereitschaft – da ist für zwei Jahre der Familiennachzug ausgesetzt.
Allerdings sollen Angehörige, die noch in Flüchtlingslagern in der Türkei, Jordanien und dem Libanon leben, doch nach Deutschland kommen dürfen, dies allerdings unter Anrechnung auf – noch zu vereinbarende – Flüchtlingskontingente.
Weiter wurde beschlossen, dass Asylsuchende sich mit zehn Euro Eigenanteil an den Kosten von Integrationskursen beteiligen müssen. Abschiebungen sollen erleichtert werden – auch bei gesundheitlichen Problemen der Betroffenen, nur wirklich schwere Krankheiten sollen vor Abschiebung schützen.
Bestimmte Flüchtlingsgruppen – „ohne Bleibeperspektive“ heißt das und betrifft unter anderem Asylsuchende aus den so genannten „sicheren Herkunftsstaaten“ – sollen künftig in speziellen Aufnahme- und Rückführungseinrichtungen untergebracht werden, wo ihre Asylanträge im Schnellverfahren abgearbeitet werden.
Ein grandioser Erfolg für die CSU und Horst Seehofer, so sieht sie das jedenfalls selbst:
„Mit all diesen Forderungen hat sich die CSU durchgesetzt. Wieder einmal durchgesetzt. Wir reden nicht nur von Zuwanderungsbegrenzung, sondern wir handeln. Horst Seehofer und niemand sonst ist der Taktgeber der Asylpolitik in Berlin. Ich sage deshalb für die CSU-Landtagsfraktion: ‚Herzlichen Glückwunsch zu diesem großartigen Verhandlungserfolg. (Applaus)“
Der Chef der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag, Thomas Kreuzer, am Dienstag letzter Woche.
An jenem Tag hat die CSU den Bayerischen Landtag als Podium für eine Selbstdarstellung in dieser Sache – sagen wir – genutzt, indem sie eine Aktuelle Stunde unter die Überschrift “Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit jetzt! 12 Punkte-Programm gegen die Flüchtlingskrise” gestellt hat.
Eine “Aktuelle Stunde”, so erfährt man im Landtags-A-Z, das ist eine Aussprache in der Vollversammlung aus aktuellem Anlass über ein von den Fraktionen abwechselnd zu bestimmendes Thema. Ein Thema, das von allgemeinem Interesse ist und in die Zuständigkeit des Landes fällt.
Nun, die Asylpolitik und das 12-Punkte-Programm ist von allgemeinem Interesse, aber in den Bayerischen Landtag gehört dies Thema so nicht, das findet Hubert Aiwanger, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im Bayerischen Landtag:
„Wir brauchen einen Masterplan für Bayern, und nicht die zwanzigste weltpolitische Diskussion hier im Landtag. Wir diskutieren heute einen 12-Punkte-Katalog der CSU und in diesen 12 Punkten ist nicht ein einziges mal das Wort Kommune erwähnt. 12 Punkte zu diskutieren, die an den deutschen Außengrenzen beginnen, die sich mit europäischer Politik befassen, die den Bund auffordern, zur Rechtsstaatlichkeit zurück zu kehren … tun Sie das dort, wo es hingehört. Sie sind Teil der Bundesregierung: Fordern Sie in Berlin die Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit. Fordern Sie Ihren Vorsitzenden der EVP-Fraktion im Europa-Parlament, Herrn Weber, als CSU-Mann auf, europäische Lösungsansätze voranzubringen. Und diskutieren Sie bitte hier, wie wir die Probleme Bayerns lösen können. Wie wir wenigstens die Dinge aufs Gleis bringen können, die wir auch hier entscheiden können. Ansonsten ist diese Debatte eine Ablenkungsdebatte vom eigenen Versagen, meine Damen und Herren.“
Vor allem aber müssten die bayerischen Landkreise eine volle Kostenübernahme für die neu geschaffenen Personalstellen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise erhalten, denn, so Aiwanger: „Der durchschnittliche bayerische Landkreis hat derzeit 20 bis 40 zusätzliche Stellen nur aufgrund der Themenlage ‚Asyl’ besetzen müssen. Die muss er aus eigener Kraft bezahlen. Setzen Sie sich hier für die völlige Kostenübernahme ein, sonst läuft Ihnen dieses Thema völlig aus dem Ruder.“
Nicht nur die CSU, auch die Bundes-SPD ist Teil der Bundesregierung, und so erklärte Markus Rinderspacher, der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag dann auch: „Die Bundesregierung hat das Asylpaket II am vergangenen Donnerstag auf der Bundesebene beschlossen. Die Große Koalition hat damit Handlungsfähigkeit bewiesen. Wir begrüßen das. Blockiert hatte über Monate die CSU, die im Wochen-Rhythmus …. (Lachen, Klatschen …) … Ja, meine Damen und Herren, die CSU hat mit immer neuen Forderungen die Orientierungslosigkeit in der Union befeuert, und unsere Kolleginnen und Kollegen von der CDU in Berlin erklären uns, Herr Seehofer und diese CSU hatten überhaupt kein Interesse vor Wildbad Kreuth an einer Einigung. Es ging Ihnen darum, beim Parteitag der CSU die Kanzlerin vorzuführen. Es ging Ihnen um politisches Getöse. An Ihnen ist die Einigung gescheitert!“
Am Ende seiner Rede verteidigt Markus Rinderspacher das Asylpaket II dann und fordert: „Was wir brauchen ist eine schnelle Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen im Bund. Es muss vorwiegend darum gehen, die EU-Außengrenzen zu sichern, die Flüchtlinge in Europa gerechter zu verteilen.
Und hier im Landtag sollten wir uns nicht zu einem Ersatz-Bundestag umdeklarieren. In der Aktuellen Stunde hat die CSU heute keinen einzigen Punkt vorgelegt, der im Landesparlament beschlossen werden kann oder beschlossen werden muss. Wir führen hier eine Scheindebatte. Sie machen den Bayerischen Landtag zum Ersatz-Bundestag. Aber Ihre Landespolitischen Aufgaben, Herr Kollege Kreuzer, die mit der Integration der Flüchtlinge verbunden sind, die klammern Sie aus guten Gründen aus. Bessere Integration in den Kitas, in den Schulen, auf dem Arbeitsmarkt, auf dem Wohnungsmarkt. Das ist das, was wir jetzt im Landesparlament in Angriff nehmen müssen. Hier sind größere Anstrengungen nötig. Lassen Sie uns bitte darüber reden!“
Christine Kamm, Landtagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen und Sprecherin der Grünen im Bereich Asyl- und Migrationspolitik mokierte sich über das Thema der Aktuellen Stunde: „Das Thema der Aktuellen Stunde heißt eigentlich ‚Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit’. Und wir meinen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Ihre Partei ist Mitglied der Bundesregierung und verantwortlich dafür, dass die Bundesregierung rechtsstaatlich handelt. Wenn Sie hier Zweifel haben, dann haben Sie ein ernstes Problem mit sicht selbst. (Applaus)“.
Und zur Sache sprach sie: „Sie haben diese Aktuelle Stunde dazu benutzt, wieder einmal die Begrenzung der Flüchtlingszahlen zu fordern. Wir sagen: Ja, wir müssen alles tun, was uns rechtlich und auch menschlich und handlungsmäßig möglich ist, Flüchtlingszahlen zu reduzieren und Fluchtursachen zu vermindern.
Aber wir sagen, Ihre Forderung nach einer Obergrenze, nach Schließung der Grenzen ist ohne Aufgabe unserer Werteordnung, unseres Asylrechts und unserer Grundrechte-Charta nicht möglich. (Applaus)
Meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU, hören Sie bitte auf, die Illusion zu nähren, Deutschland könnte sich ausklinken, die Flüchtlingsprobleme alleine lösen. Oder, Herr Aiwanger, Bayern könnte sie alleine lösen. Sie schaffen es so nicht, und Sie schaffen so nur weiteres menschliches Elend und Not.“
Auch die CSU kann austeilen, sogar mit Humor, wie Josef Zellmeier, Abgeordneter der CSU demonstrierte: „Wir haben heute Maria Lichtmess, und wie vielleicht einige noch wissen, war das im bäuerlichen Jahr der Tag, wo die Dienstboten gewechselt haben. Wo man ungeeignete Dienstboten entlassen hat, und neue, fähige Dienstboten eingestellt hat. Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, wenn Sie so weitermachen mit Ihren unrealistischen, völlig weltfremden Ansätzen in der Flüchtlingspolitik, dann wird Ihnen Ihr Arbeitgeber, das bayerische Volk, die Kündigung schicken. Nicht heute, aber spätestens bei den nächsten Wahlen, und das wissen Sie auch!“
Josef Zellmeier, CSU-Dienstbote des bayerischen Volkes, und an SPD-Rinderspacher gerichtet, sprach er: „Wenn Sie hier ernsthaft behaupten, das die CSU verzögert hätte, dann haben Sie entweder die Zeit nach dem 5. November verschlafen, oder Sie sagen bewusst die Unwahrheit. Wir haben am 5. November in der Koalitions-Runde unsere Vorschläge durchgebracht, mit Zustimmung des Koalitionspartners SPD. Und bereits 3 Tage später hat Herr Gabriel behauptet, dass diese Vorschläge von ihm nicht abgesegnet worden wären, und er hat einen Rückzieher gemacht. Und jetzt hat er wieder zugestimmt unter dem Druck der Verhältnisse!“
Dass die Fraktionen des Bayerischen Landtags zu einer auch nur annähernd einmütigen Auffassung zum Asylpaket II und dem 12-Punkte-Programm der CSU kommen würden, war nicht zu erwarten, und eigentlich könnte dieser Beitrag hier bereits zu Ende sein.
Aber wir wollen doch noch kurz hören, was die Bayerische Staatsregierung selbst zu sagen hat. Der Bayerische Innenminister ergriff das Wort und stellte fest: „Es ist jetzt ein gutes halbe Jahr her, dass wir in Bayern diese so genannten ‚Balkanzentren’ geschaffen haben. Ich kann mich noch gut an die munteren Diskussionen hier im Hohen Hause erinnern. Es ist ein halbes Jahr vergangen, und jetzt wird endgültig in Berlin beschlossen, das dies künftig der Standard und der Maßstab in ganz Deutschland ist. Ich denke, schon eine bemerkenwerte Entwicklung.“
Dies zum Ersten, und zum Zweiten das: „Wer hat da wo was blockiert? Es gibt die Vereinbarung vom 5. November! Haben Sie in den letzten drei Monaten eine einzige Äußerung aus der CSU, aus der CSU-Landtagsfraktion, aus der CSU-Landesgruppe im Bundestag, aus der Staatsregierung, eine einzige Äußerung gehört, die irgend etwas an dieser Vereinbarung vom 5. November ändern wollte? Eine einzige Äußerung? Keine einzige Äußerung!
(Applaus)
Es gab keine einzige Äußerung aus der CSU, dass wir irgend etwas ändern wollten an diesem Konzept. (…) Wer hat denn die Änderungen gewünscht? Die Änderungswünsche kamen aus der SPD: Das mit dem Familiennachzug, das geht so nicht, …“ und so weiter.
Und als Vertreter der Staatsregierung darf, ja muss der Innenminister feststellen: „Das, was im Moment läuft oder gelaufen ist in den letzten Monaten, Herr Kollege Rinderspacher, da kann man wohl nicht bestreiten, dass das massiv die Interessen des bayerischen Volkes, der bayerischen Bevölkerung unseres Landes betrifft. Das sind nämlich alles Entscheidungen, die auf Kosten der Länder und Kommunen vollzogen werden. Da wird dann großherzig beschlossen: Ja, zur Verwaltungsvereinfachung können wir denen allen den Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention zusprechen, und nicht den subsidiären EU-Schutz. Und wer bezahlt das? Die Länder! Wer hat das auszubaden in der Unterbringung? Die Kommunen! Das ist die Realität!
Und da meine ich schon: Natürlich ist es die Zuständigkeit des Bayerischen Landtags, sich mit solchen Fragen zu beschäftigen. Und ich kann Ihnen nur sagen, Herr Kollege Rinderspacher: Wer so rangeht, wer in einer solchen Situation sagt, wir würden hier über Dinge reden, die nicht in der Zuständigkeit des Landtags sind, der braucht sich nicht zu wundern, wenn er bei 16% inzwischen angekommen ist, meine Damen und Herren.“
Eine schöne Veranstaltung war diese Aktuelle Stunde, wobei der Sinn im Verborgenen blieb, wenn man vom nochmaligen Durchkauen aller Argumente und Vorbehalte absieht.
Schön, weil es wenigstens streckenweise mal nicht langweilig war, der Debatte zu folgen, trotz der erwartbaren gegenseitigen Neckereien und Schuldzuweisungen.
Schön, weil man wieder einmal vorgeführt bekam, dass die Parteien so weit überhaupt nicht auseinander sind mit Ihren Standpunkten, auch wenn Sie noch so sehr versuchen, das zu demonstrieren.
Und schön, weil hin und wieder Emotionen durchschienen, die den Akteuren auf dieser exklusiven Bühne ein menschliches Gesicht selbst dann geben, wenn man sich mit ihren Argumenten nicht anfreunden kann.
Sinnvoll ist so eine Diskussion wohl nur dann, wenn Sie dem Wahlvolk – das sich ja bei Gelegenheit wieder neue Dienstboten in den Landtag wählen können wird – zeigen, wer da wie argumentiert.
An der Situation der zu uns kommenden Flüchtlinge hat die Aktuelle Stunde nichts geändert, das sollte sie auch nicht. Im Gegenteil, sie zeigt: Es gibt noch viel zu tun.
Zum Schluss hören wir noch Natascha Kohnen, Generalsekretärin der Bayern-SPD, die als letzte Rednerin sprach und die auf den Tumult den die CSU-Abgeordneten während ihrer Rede veranstalteten, auf ihre Weise reagierte:
„… und dann die Behauptung von Innenminister Herrmann, die Balkanzentren hätten Sie schon immer gefordert, die würden jetzt ja kommen. Was Sie gefordert hatten, waren Transitzonen. Und das, was Sie als Balkanzentren bezeichnen, sind Einreisezentren, die bereits in Nordrheinwestfalen und Baden-Württemberg funktioniert haben, lange bevor es hier in Bayern funktioniert hat.
(„oooh !“)
Ich sag’ Ihnen eins: Seit drei Monaten gehen Sie dem ganzen Land, und zwar ganz Deutschland auf die Nerven mit Ihrem populistischem Rausgeplärre. Ich wünsche mir so … ich sag’ Ihnen eins … Uli Maly, der Oberbürgermeister von Nürnberg hat etwas Wunderbares gesagt. Er wünscht sich einen Tag, wo keiner irgendeinen Vorschlag rausbläst zur Asyldebatte, sondern dass man sich zusammen setzt und gemeinsam arbeitet. Sie sind und bleiben unser Koalitionspartner im Moment in Berlin. Und jetzt arbeiten Sie mit uns zusammen und blockieren Sie nicht alles und plärren immer nur dazwischen.
…
Ja: Keine Verdrehungen!
…
Weniger Populismus und mehr Humanität, das ist das, was Sie brauchen.“
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