Wahlkampf – DIE LINKE. auf dem Münchner Marienplatz

Fotos: Michael Lucan

Am Tag der Deutschen Einheit gingen zunächst auf der „Jetzt gilt´s!“-Demo über 40.000 Menschen gegen den Rechtsruck und gegen das Polizeiaufgabengesetz auf die Straße. Am gleichen Tag organisierte DIE LINKE. München ihre zentrale Wahlkampfveranstaltung auf dem Marienplatz.
Zirka 4.000 Menschen kamen, um den beiden Spitzenkandidaten der LINKEN, Ateş Gürpinar und Eva Bulling-Schröter, und den ehemaligen Fraktionsvorsitzenden der Linksfraktion und Präsident der Europäischen Linken, Gregor Gysi, zu hören. Die Bundestagsabgeordnete Nicole Gohlke moderierte die Veranstaltung.

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Eröffnet wurde die Kundgebung vom Kreissprecher und Spitzenkandidat Ateş Gürpinar, der die Wichtigkeit der Pro­test­be­we­gung­en der letzten Monate und die Notwendigkeit für eine soziale Opposition im Landtag betonte: „Das widerständige Bayern ging unter dem Motto ‘Jetzt gilt´s!’ heute mit 40.000 Menschen auf die Straße: Es wird unsere Aufgabe sein, dieses Widerständige in den Landtag zu bringen!
Es wäre die Höchststrafe für die CSU, wenn DIE LINKE in den Landtag einzieht. Ich finde, sie haben für ihre Politik die Höchststrafe verdient.“

Die zweite Spitzenkandidatin und ehemalige Ausschussvorsitzende für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit im Bundestag, Eva Bulling-Schröter, stellte die Themen Arbeit, Umwelt und Tierschutz in den Fokus ihrer Rede.

Dazu ging sie mit der CSU hart ins Gericht: „Da die CSU die Bayerische Verfassung jeden Tag mit Füßen tritt, muss man sie als Verfassungsfeinde bezeichnen!“ Den größten Beifall erhielt Bulling-Schröter für ihre Positionierung in der Umweltpolitik: „Wir wollen keinen grün lackierten Kapitalismus! Wir wollen gegen die Konzerne vorgehen!“

Der Hauptredner Gregor Gysi schließlich – zuvor als Überraschungsredner auf der Großdemonstration auf dem Odeonsplatz mit „Zugabe“-Rufen verabschiedet – war als letzter dran. Seine Zugabe gab er für die zirka 4.000 Menschen auf dem Marienplatz, die Gysi begeistert begrüßten.
In seiner fast einstündigen Rede spannte Gysi den großen Bogen von der Außenpolitik, der wachsenden Ungleichheit weltweit und in Deutschland, bis hin zu den sozialen Fragen unserer Zeit: den Mietenwahnsinn und den Pflegenotstand.

Die Antwort von Gregor Gysi und der Partei DIE LINKE: „Beide Stimmen bei der Landtags- und Bezirkstagswahl, also 4 Kreuze für DIE LINKE, damit es auch in Bayern endlich ‘Mehr für die Mehrheit’ gibt. Statt Spezlwirtschaft, Elitenpolitik und Abbau vom Grundrechten mit der CSU gibt es mit der LINKEN eine soziale Opposition!“ Sein euphorisches Schlusswort: „Wenn wir in den Landtag in Bayern einziehen, dann verändern wir die Welt!“

Ausschnitte aus den Reden sind hier zum Nachlesen dokumentiert, die Reden liegen außerdem – ungekürzt – als Audio-Datei zum Anhören vor.

Ateş Gürpinar

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(…) Ich komme noch mal zur Grenzpolizei zurück. (…) Diese 500 Grenzpolizistinnen und Grenzpolizisten haben nur eine Symbolik. Und diese Symbolik finde ich völlig absurd. Sie bestätigt eine Sache, die seit 20, 30 Jahren bei uns rumgeistert: Die Angst vor offenen Grenzen. Ich kann nachvollziehen, dass Menschen Angst vor offenen Grenzen haben.Ich hab’ mich damals in Hessen politisiert. In Hessen gab es einen Roland Koch. Dieser Roland Koch hat damals gesagt: “Das Boot ist voll!”

Und was die Rechten drauf haben – ein bisschen besser als wir, muss ich sagen – sind die Metaphern, diese schönen Bilder. Die sind völlig falsch. Die stimmen einfach nicht. Das Boot ist nicht voll. Es gibt kein Boot, das ist ein Land!
Aber der Eindruck wird doch klar: Das sind dann plötzlich ganz viele Menschen – und deswegen ist es “voll”. Und wenn noch einer kommt, dann geht’s unter. Das wär’ für alle schlecht. Es ist völlig absurd, aber es ist so bildhaft. Und deshalb bekommen die Menschen Angst davor – vor offenen Grenzen. Anstatt zu sagen, natürlich können die Menschen hier ‘reinkommen, Menschen in Not können zu uns kommen! Wir haben nicht zu entscheiden, warum der Mensch flieht. Wenn der Mensch flieht, müssen wir ihm helfen. Das ist unsere Aufgabe!

Ich habe viel mehr Angst vor geschlossenen Grenzen. Nicht vor offenen Grenzen. Wenn die Grenzen geschlossen sind, wenn wir nicht mal mehr zulassen, dass Menschen, die auf Hilfesuche sind – und seien es “Wirtschaftsflüchtlinge” … Menschen, die Hungersnot erleiden, sind ja letztendlich auch “Wirtschaftsflüchtlinge” – wenn die nicht mehr zu uns kommen dürfen, dann haben wir etwas unserer Geschichte nicht gelernt.

Ich habe Angst vor geschlossenen Grenzen, und nicht vor offenen Grenzen. Und es ist eine Binsenweisheit – und ich finde es eine absurde Diskussion – wenn man sagt: “Passen denn 8 Milliarden Menschen hier rein?” Nein, natürlich passen sie nicht hier rein! Und deswegen können wir es ganz einfach lösen: Wir müssen uns ganz einfach darum kümmern, dass die Menschen nicht mehr zu uns fliehen müssen! Und das ist ein entscheidender Unterschied!
Und da kann man in Bayern auch was machen! 50 Prozent der Waffenexporte Deutschlands kommen aus Bayern. Und Deutschland ist ganz weit vorne, was Waffenexporte angeht und Bayern ist innerhalb Deutschlands an der Spitze.

Wenn wir wollen, dass Menschen nicht zu uns fliehen müssen, dann müssen wir die Waffenexporte verbieten. Das können wir auch hier in Bayern beginnen. Lasst uns damit anfangen!
(…)

Eva Bulling-Schröter

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(…) Reden wir mal über den Pflegenotstand (…): Jeder, der ins Krankenhaus kommt, weiß, wie’s da zugeht. Und die Krankenschwestern und Pflegekräfte tun mir eigentlich nur noch leid. Wenn man mit denen spricht, dann sagen sie: Ja, wir sind alle kurz vorm Burnout.
Und es gibt Menschen, die wollen überhaupt nicht mehr ins Krankenhaus gehen, weil sie Angst haben, dass sie tot herauskommen. Und das ist inzwischen real.

Und wir sagen: Wir wollen diesen Pflegenotstand ändern. Und deswegen unterschreibts bei diesem Volksbegehren. Wir brauchen mehr Pflegekräfte. Wir brauchen sie in den Krankenhäusern und wir brauchen sie in den Altenheimen. Und das ist auch möglich. Und über 10 Jahre wird darüber schon gesprochen, im Bundestag und im Landtag: “Ja, da muss man was verändern!”

Bis jetzt ist nichts verändert worden, im Gegenteil. Die Flucht aus diesen Berufen nimmt weiter zu! Und warum? Weil sie nicht ernst genommen werden von der Politik. Weil man diese Arbeitsplätze nicht aufwertet. Weil man ihnen keine vernünftigen Löhne bezahlt. Weil manchmal Ausbildung immer noch Geld kostet, das ist doch ein Irrsinn! Also, da muss sich was verändern. Und es werden wieder mehr in diese Pflegeberufe gehen, wenn sie sehen: Die Politik kümmert sich endlich um uns! Das wollen die Leute sehen.
(…)

Gregor Gysi

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(…) Und zur Entwicklung der Renten will ich Ihnen nur Folgendes sagen: 48 Prozent der Rentner bekamen Ende 2016 eine Rente unter 800 EUR. 48 Prozent! Da sagt die SPD, wir wollen versuchen, das auf dem Niveau zu halten. Nein, liebe SPD, das geht nicht. Wir brauchen eine deutliche Anhebung des Renten-Niveaus. Man muss mit der Rente in der Lage sein, den Lebensstandard aufrecht zu erhalten, den man sich im Erwerbsleben erarbeitet hat. Und davon entfernen wir uns Schritt für Schritt immer mehr!

Und die ganzen Debatten, dass man immer später in Rente gehen soll, sind natürlich völlig absurd. Zwar leben unsere Menschen inzwischen im Durchschnitt länger, aber sie sind nicht gesünder! Und sie fallen schon früher in bestimmte Krankheiten, auch das hat zugenommen und wird immer vergessen. Deshalb sage ich: Nein, ganz anders. Wir brauchen wirklich mal eine große Reform.
Erstens müssen wir das Renten-Niveau erhöhen, und zwar wieder auf 53 Prozent, anders geht es nicht. Weg von den über 40 Prozent, das geht nicht, viel zu gering.
Zweitens brauchen wir eine gesetzliche Mindestrente – hat zum Beispiel Norwegen: 1.000 EUR, nur mal als Beispiel -, brauchen wir dringend.
Und drittens müssen wir Folgendes machen. Bei den jungen Leuten müssen wir sagen, bei euch müssen alle in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, die ein Erwerbseinkommen haben. Das heißt, auch Beamtinnen und Beamte, Rechtsanwälte, auch Bundestagsabgeordnete, alle. Anders geht es nicht.

Und dann müssen wir die Beitragsbemessungsgrenze aufgeben und sagen, auch wer mehr als 7.500 EUR verdient, muss für den Mehrbetrag natürlich einen Beitrag zahlen. Wer eine Million verdient, muss eben für die Million einen Beitrag zahlen. Und das dritte ist, wir müssen den Renteneinstieg für die Spitzenverdiener abflachen.
Na und? Dann brauchten wir über Altersarmut nicht mehr zu reden. Dann brauchten wir nicht über die Verschiebung des Eintrittsalters zu reden. Der Schäuble hat zu mir mal gesagt, die 67 sind erst der Anfang. Da habe ich ihn gefragt, wo das Ende ist – das hat er mir nicht gesagt.
(…)

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Quelle: Die Linke, KV München (Teile)